Saisonauftakt: ein Blick hinter die Kulissen

Saisonstart mit vielen Unbekannten
Alles auf Anfang. Am vergangenen Wochenende ist die 2. Handball-Bundesliga der Männer in eine Saison gestartet, der die jeweils aktuelle Corona-Situation ihren Stempel aufprägen wird. Die Bietigheimer Handballer starten aufgrund des ungeraden Teilnehmerfeldes erst am 10. Oktober mit dem Heimspiel gegen den TSV Dormagen in die Runde. Es wird eine in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche Saison werden, deren Ausgang noch in einer ungewissen Zukunft zu liegen scheint. Einen Vorgeschmack lieferte schon das Wochenende. Die SG BBM war nicht das einzige spielfreie Team. Die Begegnung des HSV Hamburg gegen den TuS N-Lübbecke wurde verlegt, nachdem bei den Hanseaten mehrere Spieler positiv auf Corona getestet wurden.
Terminplan
Das wird eine extrem komprimierte Saison für den Handballsport in Deutschland. Nach dem Abbruch der Saison 2019/20 gab es keine Absteiger, die 2. Liga wurde auf 19 Teams aufgestockt. Zudem startete die Saison mit rund 6 Wochen Verspätung, soll dafür erst am 26. Juni 2021 beendet werden. Keine 4 Wochen nach dem Ligafinale sollen die Olympischen Spiele in Tokio eröffnet werden. Ein enges Zeitkorsett also. In welcher Form der DHB-Pokalwettbewerb ausgetragen wird, war zuletzt noch offen. Er wird eventuell ohne Beteiligung der Zweitligisten stattfinden, es mangelt schlichtweg an freien Spielterminen. Denn nicht gerüttelt wird beispielsweise an der Austragung der Männer-WM im Januar 2021 in Ägypten. Die 1. und 2. Liga werden zu der Zeit eine 4-wöchige Pause einlegen. Was den Terminstress angeht, ist die 2. HBL gegenüber den Spitzenteams der 1. Liga geradezu in einer Komfortposition: Zwei Spieltage weniger, keine internationalen Wettbewerbe, und auch die Abstellungen zu Nationalteams werden sich naturgemäß im kleineren Rahmen bewegen.
Zuschauer
Die große Unbekannte. Praktisch alle Vereine wollen vor Publikum in die Liga starten, auch wenn die Anzahl der Fans in den Hallen zu Beginn kräftig eingedampft sein wird – auf gegenwärtig maximal 20 Prozent der Hallenkapazitäten. Am ersten Spieltag gab es aber auch „Geisterspiele“ ohne Zuschauer. Die Optimisten gehen davon aus, dass das zulässige Kontingent gegen Ende des Jahres erhöht werden wird, vorausgesetzt die Corona-Situation erlaubt dies und die Hygiene- und Abstandskonzepte in den Arenen haben sich bewährt. Vielleicht werden dann auch wieder Gästefans zugelassen, die jetzt noch komplett ausgeschlossen sind. Sicher wird auch mit einem gewissen Maß an Zurückhaltung der Handballfans bei Live-Besuchen zu rechnen sein. Alles in allem wird am Ende der Saison ein kräftiger Zuschauerrückgang bilanziert werden. Alle Spiele sind im Live-Streaming bei sportdeutschland.tv zu sehen. Diese mediale Präsenz wird in der aktuellen Saison ganz wichtig werden, die auf Kosten der Vereine produzierten Videobilder belasten jedoch zusätzlich die Budgets.
Finanzen
Da trifft es die meisten Vereine in dieser Saison gleich doppelt. Die Einnahmen der Teams sind eng verknüpft mit den Zuschauerzahlen. Mehr noch als beim Fußball stellen die Ticketeinnahmen einen hohen Anteil am Budget der Teams dar. Zudem werden in diesen Zeiten weniger Sponsorengelder fließen, auch wenn eine beachtliche Solidarität mit dem Handballsport schon jetzt von allen Seiten zu spüren ist. Auf der anderen Seite der Bilanz stehen häufig Einschnitte bei den Spielergehältern. Die Reduzierung der Infrastrukturkosten rund um die Teams ist ein weiteres Gebot der Stunde. Die wöchentlichen Corona-Tests, auf die sich die Liga verpflichtet hat, stellen einen nicht zu unterschätzenden zusätzlichen Kostenfaktor dar. Viele Teams fürchten je nach Verlauf der Saison die finanzielle Schieflage. Dass der Wilhelmshavener HV schon vor dem ersten Spieltag Schlagseite hat, ist allerdings weniger der Corona-Situation geschuldet. Der Geschäftsführer und Hauptsponsor des Aufsteigers steht unter Betrugsverdacht.
Sport
Die Perspektive scheint für die Teams mit Ambitionen auf die Beletage des deutschen Handballs zunächst einmal gut. Ohne Absteiger aus der 1. Liga fehlen automatisch zwei potenzielle Aufstiegskandidaten. Andererseits müssen auch die Top-Teams der Liga den Gürtel enger schnallen, insgesamt sind weniger Spielerwechsel zu beobachten. Viele Teams konzentrieren sich darauf, ihren Spielerkader zusammen zu halten, die Personaldecken sind im Schnitt etwas dünner geworden. Viele Teams füllen mit Talenten aus der Jugend auf, was zunächst keine schlechte Entwicklung sein muss. Der VfL Gummersbach, die SG BBM Bietigheim und der ASV Hamm-Westfalen werden von der Konkurrenz am häufigsten als Aufstiegsfavoriten genannt. Einige setzen in dieser sehr speziellen Saison aber auch auf vermeintliche Außenseiter wie den TuS N-Lübbecke, die Rimpar Wölfe oder den HSV Hamburg. In der unteren Tabellenhälfte wird es bei drei Absteigern garantiert heiß hergehen. Positiven Nebeneffekte hat die lange Zwangspause auch: viel Zeit für Rekonvaleszenz und Regeneration. Selten ist die Liga mit mehr Vorbereitungszeit in ihre Runde gestartet.
Hygienekonzept
Für viele das A und O in dieser Spielzeit. Die HBL scheint dieses Thema, sei es mit Blick auf den Trainingsbetrieb oder auf die Austragung der Heimspiele, mit großer Ernsthaftigkeit anzugehen. Dasselbe gilt für die Vereine in Kooperation mit den örtlichen Behörden. Alle haben erkannt, dass es darum geht, das Vertrauen der Heimzuschauer in die Sicherheit in den Arenen zu gewinnen. Das Coronavirus hat das Potential, wahlweise einzelne Teams und deren sportliche Ambitionen oder die ganze Liga kräftig durcheinanderzuwirbeln. Einen ersten Vorgeschmack davon lieferte schon der Premierenspieltag.
Bernhard Gaus