Handball Hochburg Bietigheim

Retro-Spiel weckt Erinnerungen

Die Zweitliga-Handballer der SG BBM haben das Heimspiel am kommenden Freitag gegen den TuS Ferndorf zu ihrem „Retrospiel“ auserkoren und ziehen dazu in ihre alte Spielstätte, die Halle am Viadukt. Grund genug für uns noch einmal in alten Erinnerungen zu schwelgen.

Ausgerechnet der erstmalige Aufstieg der SG BBM in die 1. Bundesliga im Jahr 2014 besiegelte praktisch das Aus der Halle in der Holzgartenstraße als Spielstätte des Handball-Bundesligisten. Am 15. Mai 2014 unterlag die SG BBM zwar gegen den HC Erlangen mit 23:29 Toren. Doch das Ergebnis war am Ende nicht mehr relevant für die Handballer zwischen Metter und Enz, die, als am vorletzten Spieltag die Ergebnisse aus den anderen Hallen durchsickerten, schon zu Pause Gewissheit hatten: Der Einzug in die deutsche Top-Liga war geschafft. Es war der vorläufige Höhepunkt eines grandiosen Aufstiegs des Handballsports in Bietigheim-Bissingen, der stets eng verknüpft war mit der Sporthalle am Viadukt.

Die in den Jahren 1956/57 errichtete Halle konnte schon damals nicht mehr verbergen, dass sie in die Jahre gekommen war. Nonchalant mit Attributen wir „altehrwürdig“ versehen wirkt die Halle in Zeiten zunehmender Professionalisierung im Handball ein wenig aus der Zeit gerückt. Immer mehr Hallenneubauten in den Handball-Hochburgen der Republik stahlen der alten Dame am Enzviadukt die Show. Am Ende standen knallharte Fakten, die den endgültigen Umzug der Bietigheimer Handballer in die EgeTrans Arena besiegelten. Die Viadukthalle kann weder die geforderte Hallenkapazität noch eine Gegentribüne aufweisen. Auch den sich verändernden Gegebenheiten abseits des Spielgeschehens konnte sie nicht immer folgen. Wer hätte wohl beim Bau vor mehr als 60 Jahren mit den Stichworten VIP-Bereich, Catering, Mindeststandards für Videoübertragungen oder Vorgaben für einen einheitlichen Hallenboden etwas anfangen können.

Der V.I.P. von heute balanciert im ausgeräumten Geräteraum oder im Container-Dauerprovisorium seinen Teller und den Schampus im Stehen. Es geht eng zu im Treppenhaus auf dem Weg von den Umkleidekabinen in Richtung Spielfeld. Gleiches gilt, wenn man sich von dort aus auf den Weg auf die Tribüne macht. An eine "Mixed Zone" - sprich ein Bereich, in dem Trainer, Spieler und Journalisten sich austauschen können - war in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts noch nicht zu denken. Heute wäre ein Dauerbetrieb in der ca. 1300 Zuschauer fassenden Viadukthalle schlichtweg nicht mehr wirtschaftlich tragbar, ein Überleben in der eingleisigen 2.HBL unmöglich. Der Zuschauerschnitt in der Liga liegt in der aktuellen Saison bei 1730, zu den Heimspielen der SG BBM kommen durchschnittlich 2100 Fans.

Ich erinnere mich noch an meine erste Begegnung mit der Viadukthalle. Den Knirps in der D-Jugend haben die Dimensionen der Halle, ihre Höhe ebenso wie ihr Schwingboden mächtig beeindruckt. So sehr, dass es bei den Gastspielen beim TSV Bietigheim meist eine Niederlage setzte. Das ist schon über 40 Jahre her. Viel später war die Enge der Halle berüchtigt bei Zuschauern und gegnerischen Teams. Die Fans drängten sich bei den Top-Spielen auf den Stehplätzen in Fünferreihen hautnah am und ins Geschehen. Notgedrungen nahm man auch die nicht optimalen Sichtbedingungen von der Tribüne in Kauf.

Der Aufstieg der Männermannschaft nahm 1997 nach der Fusion von TSV Bietigheim und TV Metterzimmern in der Landesliga Fahrt auf. Unvergessen bleibt der 5. Mai 2005 und das 42:24 gegen die SG Pforzheim/Eutingen, mit dem die SG BBM die 2. Liga stürmte. Oder der finale Spieltag der darauffolgenden Saison, als ein 28:26 gegen die HSG Gensungen/Felsberg den umjubelten Klassenerhalt bedeutete.

2007 trat auch der dritte Verein aus der Stadt Bietigheim-Bissingen, die SpVgg Bissingen, der Spielgemeinschaft bei, erst nur mit den Männern und seit 2008 auch mit dem Frauenbereich. Sporthistorisch auch die Erfolge der Frauenteams in der Viadukthalle: Meister der 2. Bundesliga und Aufstieg in die 1. Bundesliga 2013. Den größten Erfolg feierte der Frauenhandball im Jahr 2017 mit dem erstmaligen Gewinn der Deutschen Meisterschaft - und das ohne Verlustpunkte.

Und dennoch, die Viadukthalle hat sich einen ganz besonderen Charme bewahrt, trotz oder gerade wegen der Holzbänke, dem hautnahen Kontakt zu den Akteuren oder des rustikalen  Cateringbereiches. Dem einen oder anderen Handballfan dürfte am Freitag warm ums Herz werden, wenn wieder der Duft von Leberkäs durchs Foyer zieht, wo sich automatisch alles vor und nach dem Spiel kumuliert. Den Jungs um Kapitän Jan Asmuth bleibt es gegen den TuS Ferndorf vorbehalten, auf dem Spielfeld zeigen, was das besondere Flair ihrer Trainingshalle, ihres ehemaligen „Wohnzimmers“ ausmacht.

 

Bericht: Bernhard Gaus

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