Bietigheim fährt entspannt nach Berlin
Der Druck ist vom Kessel. Nach einer acht Spiele andauernden Niederlagenserie und den Rotationen auf Trainerstuhl und Spielerbank wirkt der klare 27:18-Erfolg im Kellerduell gegen die Eulen Ludwigshafen wie ein kleiner Befreiungsschlag. Mit neuer Luft kann Aufsteiger SG BBM Bietigheim die nächste Aufgabe in der Handball- Bundesliga am Donnerstag bei den Füchsen Berlin (19 Uhr, Max-Schmeling-Halle) angehen.
Der erste Erfolg seit Mitte November lockert die Stimmung bei den Schwaben. Auswirkungen auf die Tabellenposition hat der Erfolg zwar unmittelbar keine, aber der Aufsteiger ist bis auf einen Zähler an den VfL Gummersbach und den rettenden Platz 16 herangerückt. „Wir wissen, dass wir noch 5, 7 oder mehr Punkte holen müssen“, sagt der neue Trainer Hannes Jón Jónsson. „Wir werden ruhig bleiben“, verspricht der Isländer, auch wenn der Jubel der 3000 in der EgeTrans Arena über den Erfolg am letzten Sonntag zweifellos erstligatauglich war. „Im Anschluss an das Spiel in Berlin ist reichlich Zeit zum Trainieren, die wir gut nutzen werden“; blickt der Isländer schon über die Begegnung in der Hauptstadt hinaus. Dank Länderspielpause kann der 38-Jährige, der seit drei Wochen bei den Schwaben am Ruder steht, in Ruhe seine Vorstellungen weiterentwickeln, wie das mit dem Klassenerhalt bewerkstelligt werden kann. Und seit Sonntag haben viele Beobachter einen Eindruck davon erhalten, dass Jónsson zielstrebig einen Plan verfolgt. Abwehr stabilisieren, einfache Fehler vermeiden, im Angriff mit einfachen Strukturen druckvoller agieren, weiter mit Mut in die Spiele gehen, sind seine Schlagworte. „Es ist nicht selbstverständlich, dass Stimmung und Arbeitswillen so hoch sind bei einem Tabellenvorletzten“, sagt Jónsson zur Verfassung seiner Mannschaft.
Wobei auch Neuzugang Michael „Mimi“ Kraus seinen Teil beisteuert, nicht nur in Form von Toren und Vorlagen, sondern auch mit seiner Einstellung. Kurzerhand verbannt der Ex-Weltmeister das Wort Klassenerhalt aus seinem Vokabular und aus den Köpfen. Seine neuen Mitspieler sollen sich, salopp gesagt, einfach nur aufs Handballspielen konzentrieren.
Beispielsweise am Donnerstag beim Tabellenfünften Füchse Berlin. Die Mannschaft von Velimir Petkovic hat zwar schon mindestens sechs Punkte Rückstand auf das Quartett an der Spitze, muss aber diesen fünften Rang gegen den punktgleichen Verfolger MT Melsungen und auch gegen FrischAuf! Göppingen auf Platz 7 absichern. Für einen Ausrutscher gegen einen Aufsteiger bleibt da wenig Spielraum. Vor Wochenfrist erst mussten die Füchse in Hannover trotz Fünf-Tore-Führung zur Halbzeit eine schmerzliche 25:26-Niederlage hinnehmen. Vor und nach dem Heimspiel gegen die SG BBM Bietigheim gilt der Fokus der Hauptstädter den Gruppenspielen im EHF-Pokal. In einer engen Partie behielten die Füchse am letzten Samstag mit 34:29 die Oberhand bei BM Logroño la Rioja. Bester Werfer war Kapitän und Rechtsaußen Hans Lindberg mit sieben Treffern. Bereits an diesem Sonntag folgt das Rückspiel im Fuchsbau. Auf dem Weg zum Final4 in Kiel verfolgen die Füchse das feste Ziel, als Gruppensieger das Viertelfinale zu erreichen.
Ein breiter Kader versetzt die Mannschaft um Silvio Heinevetter, Fabian Wiede, Paul Drux und Co. jederzeit in die Lage, auch in den Wochen der Doppelbelastung zu rotieren. Der Aufsteiger aus Bietigheim will diesmal näher dran sein am Gegner als bei der 28:36-Niederlage gegen die Füchse Anfang Oktober. Nach einem 13:16 in den ersten 30 Minuten ging der Anschluss zu Beginn der zweiten Hälfte zu schnell verloren. Damals wie heute gilt gegen die haushoch favorisierten Hauptstädter prinzipiell immer noch dasselbe Motto, das Mimi Kraus nochmal treffend formuliert hat: „Wir wollen da sein, wenn Berlin eine Tür aufmacht.“
Bericht: Bernhard Gaus